Hallig Südfall - die Glocke von Rungholt und
Vogelschwärme
In
jedem siebten Jahr soll die Glocke von Rungholt, der versunkenen Stadt,
in der Johannisnacht erklingen - hörbar allerdings nur für
Sonntagskinder.
Fraglich, ob die kleine Kirche
dieser 1362 durch die erste grote Mandränke zerstörte Stadt wirklich
im Besitz dieser legendären Glocke war. Relativ sicher scheint jedoch,
dass die Stadt dort lag, wo heute die Hallig Südfall auf den Resten des
damals zerstörten Landes wieder neu entstanden ist.
Die Hallig Südfall liegt dort, wo
zu Zeiten der verstärkten Besiedlung der Marschlandschaft der
friesischen Uthlande im 8. und 9. Jahrhundert der Strand lag, eine mehr
oder minder zusammenhängende, von vielen Wasserläufen durchzogenen
Marsch und Moorlandschaft. In dieser Landschaft entstand später die
Stadt Rungholt mit einem bescheidenen Hafen, von dem aus allerdings
weitreichende Handelsbeziehungen unterhalten wurden. Gehandelt haben die
Friesen vor allem mit Salz, das ihnen zu einem gewissen Reichtum verhalf
und mit Vieh.
Mit steigenden Meeresspiegeln
geriet der Strand immer mehr in den Einfluss von zwei Seegatten, dem
Fallstief und dem Heverstrom. 1362 konnte das Fallstief in die
Landschaft eindringen, Rungholt wurde zerstört. Zwischen Fallstief und
Heverstrom blieben allerdings höhere und Landflächen mit festerem
tondurchsetzten Untergrund, Deichreste und Vorlandflächen erhalten.
Hier lagerten sich Sedimente ab, neues Land wuchs über Fluthöhe heran
- die Geburt der Hallig Südfall, benannt nach ihrer Lage südlich des
Fallstief. Außerdem lagen in diesem Bereich noch die Halligen Nubel und
Nielandt. Weitere Fluten haben auch dieses Land verändert, Landflächen
'wanderten' in nordöstlicher Richtung - ein Prozess der auch heute noch
zu beobachten ist. Schließlich blieb nur noch eine der Halligen übrig,
Nielandt, welches aber, da sich dort auch die ursprünglichen Bewohner
Südfalls ansiedelten, den Namen Südfall übernahm.
Die Größe der Hallig unterschied
sich deutlich von dem heute gebliebenen kleinen Rest, eine Skizze von
Andreas Busch zeigt die Veränderung der Landfläche und ihre
Verlagerung nach Nordost. Als schließlich bei der zweiten groten
Mandränke 1634 dem Fallstief der Durchbruch durch die Insel
Alt-Nordstrand - in etwa die Flächen von Pellworm, Nordstrandischmoor
und Nordstrand - gelang, wurde auch Südfall stark zerstört, zwei
Drittel des Landes gingen verloren, zahlreiche Bewohner wurden getötet,
die Häuser zerstört.
Aber
auch nach dieser Flut wuchsen die Landflächen wieder heran, Südfall
konnte erneut besiedelt werden und hatte 1711 sogar einen Krog.
Allerdings wird das Leben in dieser sehr exponierten Lage äußerst
dürftig gewesen sein, teilweise bestritten die Südfaller ihren
Lebensunterhalt aus dem - in den Uthlanden zeitweise sehr verbreiteten -
Strandraub und der Plünderung gestrandeter Schiffe. Verbliebene
Seeleute wurden dabei teilweise einfach erschlagen.
Die Hallig liegt im
Strömungsbereich der Norderhever, die westlich an der Hallig
vorbeiströmt und des Heverstroms im Süden den Hallig. Außerdem frisst
sich der Dwarsloch, ein weiterer großer Priel, der früher Fallstief
(= Norderhever) und Heverstrom verband, immer näher an die
südwestliche Kante der Hallig heran.
1807 war die Hallig 233 ha groß,
es gab drei Warften, die dem Meer besonders ausgesetzten Süderwarft ist
allerdings nicht mehr bewohnbar. Die Lage für die Bewohner war
allerdings teilweise verzweifelt, weitere Fluten suchten die Hallig
heim. Bei der Jahrhundertflut am 3. und 4. Februar 1825 wurden alle auf
der Hallig verbliebenen Bewohner getötet. aber auch nach dieser Flut
wurde das Halligland wieder besiedelt, da die Halligbauern auch eine
Funktion als Lotsen für die nach Husum fahrenden Schiffe hatte. Die
Eigentümer der Hallig wechselten häufig.
1910 erwarb die 'Halliggräfin'
Diana von Reventlow-Criminil Südfall und lebte dort bis zu ihrem Tod im
Alter von 91 Jahren 1953 und sorgte aufgrund ihrer adligen Herkunft und
ihres einsamen Lebens als Frau ohne Ehemann auf dieser kleinen Hallig
wahrscheinlich für viel Klatsch und Tratsch. Sie unterstützte den
Nordstrander Bauer Andreas Busch bei seiner Rungholt-Forschung, ihr
Neffe Victor entdeckte ebenfalls Kulturspuren im Watt.
Heute
ist die Hallig Südfall noch 56 ha groß - allerdings nur aufgrund der
starken Befestigung der Ufer. Südfall hat eine wichtige Funktion im
Küstenschutz, sie dient als Wellenbrecher und ist damit ein Schutz für
die Insel Nordstrand. Die Hallig gehört teilweise zur Schutzzone 1 des
Nationalparks, der größte Teil der Halligfläche darf nicht betreten
werden. Aber auch der Rest der Hallig darf nur von geführten Gruppen
betreten werden. Ein Halligwart sorgt auf der Hallig für den Natur- und
Vogelschutz. Etwa 20 - 30 mal ist im Jahr landunter auf der Hallig.
Betreut wird die Hallig seit 1957 vom
Verein Jordsand, seit 1959 steht Südfall unter Naturschutz. Auf der einzigen
Halligwarft steht das Haupthaus und ein Stallgebäude, das Warftgelände ist von
einigen Prielen durchzogen. Wie bei den anderen Halligen auch übernimmt das ALR
in Husum den Küstenschutz der Hallig.
Erreicht werden kann die kleine
Vogelschutzhallig von Nordstrand aus mit geführten Wattwanderungen und
dem Pferdegespann. allerdings ist die Besucherzahl streng limitiert, um
die Vögel nicht unnötig zu stören. Südfall ist zu einen
Naturparadies geworden. Aber die Schönheit der Hallig erschließt sich
auch von weitem. Wer bei Sonnenuntergang am Strand von Nordstrand steht
und am Horizont im Farbenspiel der Sonne die Silhouette der Hallig
sieht, dem erschließt sich die ganze Schönheit dieser Landschaft - und
vielleicht hört er dann sogar - zumindest in seiner Phantasie - die
Glocke von Rungholt.
Quellen: Hans-Herbert
Henningsen, Rungholt - der Weg in die Katastrophe, Band 1 Husum 1998 •
Georg Quedens, Die Halligen, Bredstedt 1975, 1982 • Georg Kullik,
Robert Brauer, Südfall - Geschichte einer Hallig, Eigenverlag
Südfall - ein Link: