Der Beltringharder Koog

Durch das größte jemals an der Küste in Angriff genommene Deichprojekt, die 1987 fertiggestellte Eindeichung des Beltringharder Koogs - oder offiziell die Vordeichung der Hattstedter Marsch - hat Nordstrand real den Inselcharakter verloren und ist zu einer mit dem Festland verbundenen Halbinsel geworden. Trotzdem kann man Nordstrand natürlich weiterhin einen ideelen Inselcharakter zugestehen.

Die Vordeichung der Hattstedter Marsch war nicht nur das größte, sondern auch das umstrittenste Deichbauprojekt, Küstenschutz und Naturschutz gerieten in einen heftigen Konflikt, der grundsätzlicher Natur und daher kaum auszuräumen war. Ging es den Küstenschützern auf der einen Seite darum, den Generalplan Deichverstärkung, Deichverkürzung und Küstenschutz, der unter dem Eindruck der Sturmflut von 1962 entstanden war und eine umfangreiche zweite Deichlinie vor den vorhandenen Deichen bis hinüber nach Ockholm vorsah, umzusetzen, so ging es den Naturschützern auf der anderen Seite um den Erhalt einer auf der Welt einmaligen Naturlandschaft, eines komplexen Ökosystems mit Bedeutung für die gesamte Nordsee.

Im Küstenschutz stand diesmal vordergründig nicht die Gewinnung von neuem Land im Mittelpunkt der Planung - unter diesem materiellen Gesichtspunkt standen die Deichungen der vorherigen Jahrhunderte - sondern der flächenhafte Küsten- und Landschaftsschutz. Bestimmend für die Entwicklung des Wattenraums um Nordstrand und Pellworm sind die beiden großen Wattenströme Süderaue und Norderhever. Insbesondere die Norderhever hat zum heutigen Bild des Wattenmeers entscheidend beigetragen - aus dem Priel, der schon vor 1634 die Zerstörung von Alt-Nordstrand einleitete, ist seitdem ein bis zu 25 m tiefer Wattenstrom geworden. Entscheidend für die zerstörerische Wirkung der Norderhever am Wattensockel der Inseln und Halligen sind Ringströme, die entstehen, weil die nördliche Süderaue der Norderhever Wasser zuführt, der Strom spült also bei Ebbe mehr Wasser und damit auch Sedimente aus dem Wattenmeer heraus, als er bei Flut zurückbringt. Diese Wirkung sollte gebremst werden, indem im Bereich der Nordstrander Bucht die Holmer Fähre - ein Priel der der Noderhever Wasser zuführte, abgedeicht wurde. Außerdem sollte ein Damm zwischen Pellworm und dem Festland für eine Wasserscheide zwischen Norderhever und Süderaue sorgen.

Mögen die Auswirkungen dieser Baumaßnahmen auf das Strömungsverhalten im Watt noch vorausberechenbar sein - die Wechselwirkungen in einem hochkomplexen und damit hoch empfindlichen Ökosystem wie dem Watt sind es nicht. Immerhin führten die Auseinandersetzungen zu einer kleineren Lösung, die Vordeichung beschränkte sich auf die Hattstedter Marsch, das Gebiet der Hamburger Hallig wurde nicht angedeicht. Zudem wurden Begehrlichkeiten, den neu entstandenen Koog vornehmlich landwirtschaftlich und als Freizeitgebiet mit Jachthafen zu nutzen, unterbunden.

Heute dient der Beltringharder Koog neben seiner Funktion als Speicherbecken dem Naturschutz. ein Salzwasserbiotop wurde geschaffen, in welches das Wasser durch das Holmer Siel ein- und auströmen kann. Zwar kann das Wattleben hier nicht simuliert werden, trotzdem hat der Koog eine wichtige Funktion als Brut- und Raststätte für Vögel. Weidewirtschaft ist nur auf den unmittelbar hinter den alten Deichen liegenden ehemaligen Vorlandflächen möglich. So konnte ein gewisser Kompromiss zwischen Naturschutz und Küstenschutz erreicht werden. Und was aus anderen Projekten wie dem Damm hinüber nach Pellworm wird, wird die Zukunft zeigen.

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© by Klaus Bölling