Einkaufszentrum Marktplatz-Ost
Stavo 29.09.2011, Antrag Frisches Leben in der alten Stadt:
Alternativen zum Einkaufszentrum Marktplatz Ost
Meine Damen und Herren,
in der letzten
Stadtverordnetenversammlung wurden uns die Ergebnisse des
Einzelhandelsgutachtens der GMA vorgestellt. Eines Gutachtens
übrigens, das im Januar 2011 in Auftrag gegeben wurde, obwohl
erst am 16. März beschlossen wurde, ein solches Gutachten zu
erstellen. Allein diese Tatsache zeigt, dass der Beschluss der
Stadtverordnetenversammlung vom 16. März unter falschen
Voraussetzungen zustande gekommen ist, dass den Stadtverordneten
vor der Beschlussfassung grundlegende Informationen vorenthalten
wurden. Bis heute liegt uns übrigens – trotz entsprechender
Bitte an den Bürgermeister – keine Endfassung des Gutachtens
vor. Aufträge werden ohne Beschlussfassung vergeben, Bürger
werden rechtswidrig von Sitzungen ausgeschlossen, Informationen
werden vorenthalten – dies sind keine guten Voraussetzungen für
ein transparentes Verfahren.
Schon bei der Präsentation des Gutachtens
hatten viele der anwesenden Bürgerinnen und Bürger das deutliche
Gefühl, dass die Planung überdimensioniert und nicht umsetzbar
ist. Das war aus den Wortbeiträgen und Fragen deutlich zu
erkennen. Unsere Fraktion hat sich mit den in der Präsentation
vorgestellten Daten ausführlich auseinandergesetzt und wir
müssen feststellen: Das Gefühl trügt nicht, ein Einkaufszentrum
mit 5.000 bis 7.000 m³ Fläche ist im Altstadtbereich nicht
umsetzbar und auf der Grundlage des Einzelhandelsgutachtens
wirtschaftlich nicht tragfähig.
Die Aussagen des Gutachtens sind eindeutig –
und das obwohl sie, wie der Fraktionskollege Delf Schnappauf in
einer Dokumentation bereits herausgearbeitet hat, auf alten
Zahlen beruhen, die positiver waren, als die heutige Lage.
Unsere Zentralitätskennziffer ist gut, unsere Kaufkraftbindung
ist gut, wir haben in nahezu allen Segmenten eine
überdurchschnittliche gute Ausstattung an Einzelhandelsflächen.
Insbesondere im Lebensmittelbereich, den wir als Magneten am
Marktplatz brauchen, gibt es keine Luft für Neuansiedlungen. Das
sind zentrale Aussagen, die für uns nur einen Schluss zulassen:
Für ein Einkaufszentrum der geplanten Größenordnung gibt es
keinen Bedarf und keine Kaufkraft.
Warum wird im Gutachten trotzdem ein
Einkaufszentrum empfohlen? Die GMA macht es sich hier einfach.
Ihr Auftrag war es nicht festzustellen, ob das Einkaufszentrum
für künftige Mieter rentabel ist, ihr Auftrag war es zu prüfen,
ob die Innenstadt durch ein Einkaufszentrum belebt werden kann.
Dies wird natürlich positiv beantwortet. Ein Einkaufszentrum
schafft Frequenz, Menschen kommen in die Altstadt. Dieser
Schluss mag richtig sein, er ignoriert allerdings vollständig
den ersten Teil der Analyse, der belegt, dass die
wirtschaftlichen Voraussetzungen für ein erfolgreiches
Einkaufszentrum nicht gegeben sind.
Meine Damen und Herren, wir müssen aus diesen
Ergebnissen unsere eigenen Schlüsse ziehen. Ich habe dem Antrag
im März zugestimmt, da wir als GRÜNE eine Belebung der
Innenstadt wollen. Wir wollten harte Fakten, auf deren Grundlage
wir weiter planen können. Nun haben wir die Fakten und sie
bestätigen das erste Bauchgefühl: Ein großes Einkaufszentrum
wird nicht funktionieren. Also müssen wir die Konsequenzen
ziehen und nach anderen Lösungen suchen, denn die Zeit rennt uns
davon.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN haben ein 10seitiges
Papier erarbeitet, das den Titel ‚Frisches Leben in der alten
Stadt: Die Innenstadt entdecken‘ trägt. Dort haben wir unsere
Ideen zur nachhaltigen Entwicklung der Homberger Innenstadt
zusammengefasst. Für alle die es interessiert, steht das Papier
auf unserer Website gruene-homberg.de zum Herunterladen bereit.
Das sind auch alles keine absolut neuen Erkenntnisse, wir reden
schon lange darüber, wir haben die Themen bei etlichen
Versammlungen und runden Tischen bereits erörtert. Nur geschehen
ist halt nichts. Statt realistischer Planungen versteifen wird
uns immer wieder auf das Wolkenkuckucksheim Marktplatz-Ost, dass
der Bürgermeister zu Beginn seiner ersten Amtszeit mal als
großen Wurf verkaufen wollte und seitdem immer wieder aus dem
Hut zaubert. Aber das Kaninchen hat seine Zauberkraft verloren
und ist ziemlich zerzaust.
Wir brauchen keinen großen Wurf, wir
brauchen endlich kleine, zielgerichtete Schritte in die Zukunft.
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Die Altstadt bietet kein Potential für
einen großen Supermarkt oder Discounter. Wir brauchen hier
einen Nahversorgermarkt. In anderen Städten setzen die
Einzelhandelsketten bereits entsprechende Konzepte für eine
Gesellschaft im demographischen Wandel um.
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Die Altstadt ist nicht das Terrain für
einen großen Elektronik- oder Bekleidungsmarkt. Wir brauchen
kleinere Fachmärkte und Boutiquen in den leerstehenden
Flächen.
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Nicht allein Handel belebt die Innenstadt,
die Innenstadt muss auch ein Dienstleistungszentrum werden.
Hier gehört ein Gesundheitszentrum mit Arztpraxen, Therapie,
Pflegedienst, Apotheke, Sanitätshaus hin.
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Wie lange reden wir schon über unseren
siechen Wochenmarkt, der niemals wirklich funktioniert hat?
Und warum planen wir dann nicht einen Markt, der an einem
anderen Wochentag oder z.B. am Abend stattfindet?
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Wie lange reden wir schon von einem
Leerstandsmanagement und einer aktiven, zentralen
Vermarktung der Innenstadt? Das ist wirkliches
Stadtmarketing.
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Statt Abriss kompletter Quartiere, sollten
wir unsere Innenstadt endlich entdecken und über alters- und
familiengerechtes Wohnen, das Freilegen von Hinterhöfen und
das Erschließen von Häuserzeilen durch zentrale Fahrstühle
reden.
Das alles kann eine Innenstadt attraktiv
machen, nicht Takko, Kik oder Schlecker.
Es wird immer
von den Investoren gesprochen, die sich für das Einkaufszentrum
interessieren. Bisher haben wir nur einen einzigen kennengelernt
und der hat auch nur sehr wage Pläne vorlegen können. Zu
möglichen Mietern in einen Einkaufszentrum hielt er sich
gänzlich bedeckt. Bei einer ersten Präsentation des
Einzelhandelsgutachtens sagte die Planerin der GMA aber bereits
deutlich, wir sollten die qualitativen Erwartungen nicht zu hoch
ansiedeln und eher an den Bereich der Discounter denken. Da sind
wir dann wieder bei den Lidls, Takkos und Deichmanns. Wollen wir
dafür wirklich die Altstadt flachlegen? Die bisher vorgelegten
Pläne des Architekten haben mich zumindest erschreckt. Östlich
des Marktplatzes wird das Quartier hinter der ersten Hausreihe
komplett verschwinden und weiter oberhalb verschwindet die
komplette Salzgasse.Hier wird Kahlschlag gemacht, rund um das
dann nicht mehr vorhandene Haus der AWO Altenpflegeschule
entstehen ebenerdige Parkplätze, die auf die sterile Glasfront
der Discountmärkte zulaufen.
Das Einkaufszentrum Marktplatz Ost
zerstört unsere Altstadt, deshalb müssen wir es jetzt stoppen.
Ich habe eine Horrorvorstellung, die durch das
Einzelhandelsgutachten bestätigt wird: Vielleicht finden wir
wirklich einen Investor, der mit viel Steuer- und Fördergeld das
Einkaufszentrum baut und dafür die halbe Altstadt ruiniert. Dann
ziehen die Discounter mit ihren üblichen dreijährigen
Mietverträgen ein, stellen fest, es rentiert sich nicht und nach
drei bis fünf Jahren haben wir in Homberg veritablen,
großflächigen Leerstand geschaffen. Das muss verhindert werden!
Bündnis 90/DIE GRÜNEN wollen verhindern, dass
weiterhin Geld und Planungsleistungen für ein bereits totes
Projekt verschwendet werden. Wir wollen, dass endlich die
Alternativen geplant werden, dass wir unsere Stadt entdecken und
nachhaltig entwickeln. Wir brauchen nicht den groben Klotz,
sondern die kleinen Klötzchen, die Homberg lebendig machen.
Klaus Bölling, Fraktionsvorsitzender