Rede in der Stadtverordnetenversammlung am 11. Juni 2012
Kein Kauf der Kasernen - Entwicklungsgesellschaft gründen
Meine Damen und Herren,
in aller Eile soll heute Abend ein
Beschluss durchgeprügelt werden, den wir schon einige Male auf
der Tagesordnung hatten, über den wir bereits abgestimmt hatten.
Die Beschlusslage ist eindeutig: gekauft werden sollte Zug und
Zug, so wie die Grundstücke auch weiterveräußert werden können.
Der Bürgermeister hatte zugesagt, dies sei mit der BImA so
geklärt. War es aber nicht, oder? Sind wir mal wieder belogen
worden, oder?
Nun gab es, ebenfalls erst vor Kurzem eine
Haushaltsdebatte, in der der Fraktionsvorsitzende der SPD viel
von fehlendem Vertrauen, fehlender Transparenz und ähnlichem
gesprochen hat. Viele Worthülsen, wie wir im Nachhinein
feststellen müssen, denn das Erkennen eines Problems erfordert
das Beseitigen des Problems. Die SPD wirft Wagner vor, er habe
jahrelang nur Luftschlösser gebaut. Verbaloppositionell hört
sich das in der großen Koalition gut an – das Luftschloss wird
aber mit Stefan Gerlach als weiterem Architekten nicht besser.
Leider wird diese Luftschloss für Homberg sehr teuer.
Eigentlich können wir die Kasernen gar nicht kaufen, denn wir
haben kein Geld. Wir haben ganz einfach ein Problem: Alles, was
wir für die Kasernen ausgeben, den Kaufpreis, die Unterhaltung
der Liegenschaften, den Abriss oder die Instandhaltung von
Gebäuden – vor allem aber den Kanal und sie Straßen zahlen wir
nicht aus vorhandenen Mittel - wir müssen uns weiter
verschulden. Wir treiben die Zinsbelastung weiter in die Höhe,
wir treiben die Tilgungsleistungen weiter in die Höhe. Aber auch
das können wir nicht regulär bezahlen, wir nehmen auch dafür
weitere Darlehen auf, treiben den Kassenkredit weiter in die
Höhe.
All dies steht nicht auf dem knappen A 4 Blatt,
das uns vollmundig als Projektkalkulation untergejubelt wird,
aber nicht mehr ist als eine Tabelle, in der ein paar Annahmen
zusammengeführt werden, die zum großen Teil ungeprüft und
teilweise auch nicht nachvollziehbar sind. Es musste halt so
gerechnet werden, dass am Ende noch ein kleiner Betrag
übrigbleibt. Dies ist weder eine Projektkalkulation noch eine
Wirtschaftlichkeitsberechnung. Genau diese wäre aber eine
unverzichtbare Grundlage für eine sachkundige Entscheidung.
Meine Damen und Herren, der Bürgermeister behauptet im
heutigen HNA-Interview, die Vermarktung sei durch die Stadt
besser durchführbar als durch einen Investor. Das ist natürlich
Quatsch. Die Stadt ist weder Immobilienmakler noch
Projektentwickler. Die Stadt sollte sich um ihre Kernaufgaben
kümmern – z.B. Jahresabschlüsse und gedeckte Haushalte. Der
wahre Grund, warum die Grundstücke nicht von z.B. der BImA
vermarktet werden ist ein ganz einfacher: Wege und Infrastruktur
sollen öffentliches Eigentum werden. Damit werden sie
entstehenden Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt und gehen
nicht zu Lasten der Investoren. So einfach ist das und so
einfach haben das die BImA-Vertreter im übrigen auch erklärt,
als sie von Wegerechten und Dienstbarkeiten sprachen, die auf
die Stadt übergehen müssen.
Es gibt viele schöne
Vorstellungen, was dort oben alles stattfinden könnte – allein
es gibt keine belastbaren Fakten. Was es ganz sicher gibt, ist
ein Kostenpaket von 5 – 6 Mio. € für das die Stadt ins Risiko
geht. Und daran ändern weder Ratenzahlung noch Bodenbevorratung
etwas, die strecken allenfalls den Zeitraum, in dem das Geld
fällig wird. Und es ist nach wie vor völlig ungewiss, auf
welchen Kosten die Stadt am Ende sitzen bleibt. Jeder
Projektplaner, der auf einem Bruchteil der Fläche über die wir
reden einen Supermarkt errichten will, geht professioneller vor
und wägt Risiken sorgsamer ab. Aber der rechnet ja auch mit
eigenem Geld und nicht mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger.
Vor einem Monat sind hier düstere Bilder gemalt worden, was
alles passiert, wenn wir unter den kommunalen Schutzschirm
müssen, welche Entbehrungen das bringt, welche Belastungen das
bringt. Und natürlich wird dann immer die große Gemeinschaft der
Parlamentarier aufgefordert, gemeinsam den Bürgerinnen und
Bürgern zu erklären, dass dies alles unausweichlich ist.
Unausweichlich, meine Damen und Herren, ist das nur, weil vorher
das nicht vorhandene Geld durch Entscheidungen wie die heutige -
die bei den Bürgerinnen und Bürgern zu anhaltendem Kopfschütteln
führt - verpulvert wird. Für Bündnis 90/DIE GRÜNEN ist aber
eines ganz klar: Wer heute Abend mutig die nicht vorhandenen
Millionen an die BImA schiebt, darf dann auch allein den Bürgern
erklären, warum die Kindergartengebühren erhöht werden müssen.
Mal sehen, wie einig sich die große Koalition dann noch ist. Es
ist schizophren, auf der einen Seite einen Ausschuss zur
Haushaltskonsolidierung zu gründen und auf der anderen Seite
genau das Gegenteil zu beschließen.
Es wird behauptet,
das BImA Angebot sei akzeptabel, es sei gut. Warum? Wo ist das
Gutachten über den Grundstückswert, wo ist das Gutachten über
den Wert und den Zustand der Gebäude, wo das Altlastenkataster?
Wo sind die überprüften Daten zum Zustand der Kanäle, wo die
realistische Aufstellung der anfallenden Kanalbaukosten? Wage
Schätzungen, wagen annahmen – aber keine nachvollziehbaren,
verifizierten Fakten.
Dabei hätten wir doch die Chance,
zukunftsorientiert und verantwortlich zu handeln. Es gibt eine
Fläche, die der BImA gehört. Deren Aufgabe ist die Vermarktung
von Immobilien. Prima, braucht sich Stadt schon mal nicht drum
zu kümmern. Es gibt die HLG, die hat Erfahrung bei der
Entwicklung von Gewerbegebieten. Auch prima. Es gibt
Interessenten, die Grundstücke kaufen wollen, die
Gewerbebetriebe ansiedeln wollen. Wunderbar. Da haben wir schon
drei Parteien, die wunderbar eine Gesellschaft zur Entwicklung
und Vermarktung eines Gewerbegebiets gründen können. Die Stadt
kann auch noch dazukommen, damit die öffentlichen Zuschüsse für
Konversion genutzt werden können. Die gesamte Fläche geht in den
Besitz dieser Gesellschaft über, die kümmert sich um die
Infrastruktur und die Versorgung, die Kosten tragen diejenigen,
die vom Gewerbegebiet profitieren. Die Beteiligung der Stadt
darf nicht über die Höhe der Zuschüsse für Konversion
hinausgehen. Das wäre ein professionelles und flexibles
Konstrukt für ein Gewerbegebiet. Arbeitsplätze würden entstehen,
die üblichen Steuereinnahmen würden fließen. Und die Risiken
würden nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt.
Warum macht
die BImA das nicht selbst? Weil sie um die Höhe der Risiken
weiß, weil sie um die Unvermarktbarkeit großer Teile der Flächen
weiß? Natürlich macht die BImA die Magnumflasche Champagner auf,
wenn der Deal heute Abend hinhaut und sie für den ganzen Kram
auch noch echtes Geld bekommt. Kann sein, dass im Rathaus
ebenfalls Sekt kaltgestellt ist – aber Kummersaufen ist keine
Lösung.
In der letzten Sitzung hat die SPD vorgeschlagen,
die Bürger sollten über die Teilnahme am Schutzschirm
entscheiden. Klar, ist eine unangenehme Entscheidung, übergeben
wir lieber mal den Bürgerinnen und Bürgern selbst. Und brauchen
auf jeden Fall Konsens. Wir sollten die Bürgerinnen und Bürger
lieber mal entscheiden lassen, ob sie bereits sind, den heutigen
Unsinn zu billigen. Ich habe in den vielen Gesprächen in den
letzten Wochen nur Leute getroffen, die gefragt haben, ob wir
noch ganz normal sind. Denn wacher Menschenverstand reicht aus,
um zu erkennen, worauf der Ankauf der Kasernen hinausläuft:
weitere Defizite, höhere Belastungen für alle. Es sind
Entscheidungen, wie die heutige, die die Kommunen teilweise in
den Ruin getrieben haben: schlecht vorbereitet, nur grob
gerechnet und mit Risiken behaftet, die private Investoren
niemals tragen würden. Nicht der Kaufpreis ist entscheidend –
ruinieren werden uns die Folgekosten, die Sanierungskosten, die
Zinsen, die Tilgung. Allein die Idee, diese Kosten zum Teil über
Pachteinnahmen aus der Risikoinvestition Photovoltaik
finanzieren zu wollen, zeigt, wie unrealistisch die Rechnung
ist. Die Einspeisevergütungen sinken zu Recht, die Rendite wird
auf ein normales Maß schrumpfen und damit haut die Rechnung mit
den Pachteinnahmen schon nicht mehr hin. Das Kartenhaus bricht
zusammen, erhöhen wir halt die Abwassergebühren.
Nein,
das ist nicht der richtige Weg, meine Damen und Herren. Wir
beantragen daher, Flächen nicht zu kaufen und stattdessen die
Gründung einer Gesellschaft zu prüfen, die die Grundstücke kauft
und entwickelt, die dort ein Gewerbegebiet betreibt und dessen
Erschließung finanziert. alles andere wäre Wahnsinn.
Klaus Bölling, Fraktionsvorsitzender
Positionspapier
der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN zum geplanten Ankauf des
Kasernengeländes (pdf-Dokument)