Vom Kutter frisch aufs Krabbenbrötchen?
Nordseegarnelen haben eine lange Reise hinter sich
Wo, wenn nicht hier an der Nordsee, sollte man sie frischer bekommen, die
leckeren Krabbenbrötchen? Frisch angelandete Nordseegarnelen, auf dem Kutter
gekocht, schnell gepult - und dann drauf aufs Brötchen. Die Reise der kleinen,
rosa Krabben ist aber oft eine viel längere, einige von ihnen haben bereits
Afrika gesehen.
Krabbenpulen
ist eine aufwändige Angelegenheit, die meist in Handarbeit erledigt werden
muss. Auf sieben bis zehn Pfund bringt es eine gute Pulerin in der Stunde - bis
in die sechziger Jahre hinein war das eine gute Nebenbeschäftigung für viele nordfriesische
Hausfrauen. Immer wieder wurde an Maschinen gearbeitet, die die teure Arbeit
automatisieren sollten. Ein Erfolg stellte sich aber erst in den letzten Jahren
ein. Auch diese Maschinen sind teuer. Zu den hohen Anschaffungskosten kommt der
weitere Nachteil, dass sie auch dann einen Standplatz brauchen und Geld kosten,
wenn die Krabbenfänge im Winter zurückgehen oder ganz ausbleiben.
Also hat man sich früh besonnen, die Krabben zum Pulen in Billiglohnländer
zu schaffen. Da Transportkosten heute kaum ins Gewicht fallen, wurden die
gekühlten Fänge zunächst in ehemalige Ostblockstaaten wie z.B. Polen transportiert. Und
seitdem dort der Lebensstandard und damit auch die Löhne gestiegen sind,
wandert die Ware aus der Nordsee zunächst in die Niederlande. dort sitzen die
beiden einzigen verbliebenen Großhandelsunternehmen für Garnelen. Der größte
dieser Monopolisten ist die Firma Heiploeg, die den nordfriesischen Krabbenmarkt
fest in ihrer Hand hat und damit auch die Preise bestimmen kann.
Bei Heiploeg werden die Krabben in Plastiksäcke eingeschweißt und mit
Kühl-LKW quer durch Europa nach Spanien und von dort mit der Fähre über das Mittelmeer nach Marokko
gefahren, wo die
Krabben in riesigen klimatisierten Hallen von weiß vermummten
Marokkanerinnen für wenig Geld aus der Schale gepult werden. Danach treten sie
- haltbar gemacht mit Konservierungsstoffen - ihre Heimreise an und kommen -
nach einer langen Odyssee durch die Welt - wieder dort an, wo sie schon einmal
waren. Und landen als 'frische' Krabben, obwohl sie teilweise bereits vor mehr
als 12 Tagen gefangen wurden, auf den
Krabbenbrötchen.
Seit
dem 17. Jahrhundert gehören die Krabben zum Speiseplan an der Küste. Zunächst
wurden sie mit Keschern bei ablaufender Flut aus den Prielen im Watt gefischt.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts werden die Nordseegarnelen auch von Booten aus
gefangen, die Krabbenfischerei wurde für die heimische Fischwirtschaft
wirtschaftlich. Heute arbeiten viele der einstmals eigenständigen Fischer als
Angestellte großer Konzerne, die Fischereigenossenschaften wurden zum Teil von
diesen erworben. Eine dieser Firmen ist die der Fischgroßhändler Heiploeg aus
den Niederlanden, für den auch die Nordstrander Fischer auf Krabbenfang gehen.
Die Schalen der Krabben sind inzwischen auch zu einem wichtigen Rohstoff
geworden. aus dem Chitin werden Arzneimittel hergestellt, zudem kann es als
Ersatz für Cellulose verwendet werden.