Angezogen
vom Mythos der versunkenen Stadt haben sich viele aufgemacht und im Watt
nach Spuren gesucht. Natürlich hat man im Wattenmeer immer wieder
Kulturspuren gefunden, darunter viele sogenannte Lesefunde -
Scherben, Werkzeuge u.ä., die von der Flut freigespült und
weggespült wurden. Insbesondere nach der Flut von 1632 wird über
Spuren und Funde im Watt berichtet - in diese Zeit fallen auch viele
Karten und Chroniken, in denen über Rungholt berichtet wird.
Danach war es zunächst ruhig um Rungholtfunde, erst im 19.
Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts tauchen wieder Spuren
auf. Eingeordnet und aufgezeichnet werden sie allerdings kaum. Die
eigentliche Rungholtforschung beginnt mit Andreas Busch, einem
Nordstrander Landwirt, für den die Erforschung Rungholts zum
Lebenswerk wurde, der Rungholt wiederentdeckt hat.
Seine Forschungen beginnen im Mai 1921 und beschäftigen ihn sein
ganzes Leben. Busch wurde am 16. Juni 1883 auf Nordstrand geboren,
er besuchte dort die Schule und wurde Landwirt. Sein Interesse galt
schon früh alten Karten und Chroniken, auch mit seinem Beruf, der
Landwirtschaft beschäftigte er sich theoretisch und veröffentlichte
erste Aufsätze. Busch war Autodidakt, er eignete sich umfangreiche
Kenntnisse an und war weit mehr als ein Hobbyforscher, da es ihm
gelang, seine Funde wissenschaftlich einzuordnen und den Mythos
Rungholt mit Fakten zu untermauern.
Busch entdeckte eine ganze Reihe von Warften und Brunnenresten -
sein spektakulärster Fund waren aber sicherlich die
Rungholtschleusen, die er bereits 1921 entdeckte (gesichtet worden
waren die Holzreste schon vorher, aber niemand hat sie als
Sielschleusen aus der Rungholtzeit erkannt). 40 Jahre später, im
September 1961 gelingt es Busch und seinen Helfern, die restlichen
Eichenbalken der Schleuse aus dem Watt zu bergen, viele weitere
Reste, die zu Beginn ihrer Entdeckung noch vorhanden waren, hatte
das Dwarsloch, dass sich immer näher an die Hallig Südfall
herangräbt schon vernichtet. Heute hat dieser Arm des Heverstroms
den historischen Boden im Bereich der Schleuse vollständig
abgetragen. 1994 waren die im Husumer Nissenhaus befindlichen Balken
dann Gegenstand eines Streites, den Hans Peter Duerr
entfachte.
Duerr, ein weiterer Spurensucher, der seine Forschung allerdings
mit dem Duktus des wissenschaftlichen Provokateurs angeht, hat die
bisherigen Forschungen von Busch radikal in Frage gestellt, er
zweifelt Buschs Lokalisierung von Rungholt an und datierte den
Balken der Schleuse wesentlich jünger. Inzwischen wurde jedoch
durch eine Radioisotopen-Untersuchung das Alter der Schleusen - und
damit indirekt auch Buschs Integrität als Rungholtforscher -
bestätigt (siehe auch: Und wo liegt Rungholt?
Ein Streit).
Auch andere Spurensucher waren im Watt unterwegs, z. B. Victor
von Reventlow-Criminil, ein Neffe der damaligen Halligeigentümerin
Diana von Reventlow-Criminil, Hans Peter Duerr und seine Bremer
Studenten, die Rungholt nordwestlich von Südfall suchen, aber
wahrscheinlich Randsiedlungen des bereits von Reventlow-Criminil
entdeckten Orts Fedderingman-Capell gefunden haben und Hans-Herbert
Henningsen mit seiner Frau, die seit 1981 Spuren im Rungholtgebiet
erforschen.
Die Grundlagen für alle späteren Forschungen und Entdeckungen
hat allerdings Andreas Busch geschaffen, ein außergewöhnlicher
Mann - verheiratet mit einer Nordspanierin und Vater von sieben Kindern
- der nicht nur das notwendige Wissen hatte, sondern auch das
Glück, genau in den Jahren forschen zu können, in denen durch
Abtrag der Sedimente und die Zerstörung der Nordwest-Spitze
Südfalls, des Kaobs, viele der heute entgültig zerstörten
Rungholtspuren aus dem Wattboden auftauchten.
Quelle: Hans-Herbert Henningsen,
Rungholt - der Weg in die Katastrophe, Band 1 Husum 1998, Jörn
Hagemeister, Rungholt - Sage und
Wirklichkeit, St. Peter Ording, 1979
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