Die Rungholt-Forschung war eigentlich
immer der Tummelplatz von Laien, die vom Mythos Rungholt fasziniert
waren und sich schließlich tief und teilweise verbissen in das
Gebiet hineinarbeiteten. Verbunden wird die Rungholt-Forschung vor
allem mit Andreas Busch, dem Nordstrander Bauern, der sich bis ins
hohe Alter hinein mit Rungholt befasste und der aufgrund seiner
Entdeckungen und Forschungen im Watt bei Südfall die grundlegenden
Beiträge zur Wiederentdeckung Rungholts lieferte (siehe auch: Andreas
Busch und die Spurensucher).
Busch lokalisierte und untersuchte ein Vielzahl von Kulturspuren
im Watt, entdeckte viele Waften, Ackerspuren, Entwässerungsgräben
und bekam so nach und nach Bild der versunkenen Landschaft, welches
er in Skizzen festhielt. Ihm gelang es auch, die Schleusenanlagen im
Niedam-Deich zu entdecken und einen der Balken zu bergen. Busch
lokalisiert Rungholt an der Nord-West-Spitze der Hallig Südfall,
dort entdeckte er eine Reihe von Warften, eine dieser Warften
interpretierte er als Kirchwarft. Freigelegt wurden all diese Spuren
durch den Abtrag von Sedimenten, die nach der Flut von 1362 über
dem Rungholtgebiet auflandeten und schließlich die Hallig Südfall
bildeten. Dieses Land wurde später wieder weggespült, die Hallig
verlor an dramatisch Fläche bevor 1936 die Halligränder durch
einen Steinwall befestigt wurden.
Weiter nördlich (ca. 3 km) der Hallig entdeckte Victor Graf v.
Reventlow-Criminil 1950 Kultur- und Siedlungsspuren im Watt. Busch
lokalisierte diese Spuren als Reste der Siedlung Fedderingman-Capell,
die ebenfalls 1362 zerstört, später aber wohl wieder besiedelt
wurde. Ihr endgültiger Untergang wird auf die Flut von 1532
datiert.
Weitere Forschungen bis in die jüngste Zeit hinein dokumentiert
Hans-Herbert Henningsen, der insbesondere das Gebiet um Südfall
erforscht und aufgrund seiner Funde zu der Überzeugung gelangt,
Rungholt liege - wie auch von Busch angenommen - im Bereich der
Hallig Südfall, Teile der Siedlung seien wahrscheinlich noch unter
dem heutigen Halligland verborgen.
Interessant wird die Rungholt-Forschung, als ein weiterer Laie
das Watt betritt - diesmal aber mit akademischen Background. Hans
Peter Duerr ist Ethnologe an der Bremer Universität und unternimmt
mit einer Studentengruppe mehrere Exkursionen ins Watt. Dabei geht
er von der Annahme aus, Rungholt finde sich wesentlich weiter
nördlich als von Busch angenommen und von der etablierten
Rungholt-Forschung tradiert. Er beruft sich dabei auf die Karten von
Mejer, denen er mehr Detailtreue zubilligt, als andere Forscher.
Seine Gruppe entdeckt Kulturspuren in einem Gebiet, das mit dem
Fundgebiet von Reventlow-Criminil übereinstimmen könnte,
interpretiert diese aber als Reste der Stadt Rungholt.
Interessant wird der Streit, da er nun mit der Heftigkeit und
Unerbittlichkeit eines wissenschaftlichen Disputs geführt wird. die
amtlichen Archäologen fühlen sich plötzlich heftigst angegriffen
und versuchen Duerr in seinen Forschungen nach Möglichkeit zu
behindern. Immerhin ist jetzt nicht nur irgendein Laie im Watt
unterwegs, sondern ein Universitätsprofessor, der es zudem
versteht, das plötzlich aufkeimende mediale Interesse an Rungholt
geschickt zu nutzen. Und natürlich lässt Duerr keine Gelegenheit
aus, den amtlichen Archäologen Unprofessionalität und
Schlafmützigkeit zu unterstellen - manchmal vielleicht nicht einmal
zu unrecht. Und die Medien stürzen sich gierig auf den Streit,
schließlich wird er hochprofessionell mit allen Ingredienzen bis
hin zur Verschwörungstheorie geführt. Folgender
Artikel dokumentiert den Streit.
Als
Highlight der Auseinandersetzung zweifelt Duerr eine der heiligsten
Reliquien der Rungholt-Forscher an: die Echtheit der
Schleusenbalken, die von Busch geborgen wurden und im Husumer
Nissenhaus aufbewahrt werden. Mit diesem Schlag und den
einhergehenden Beschuldigungen über bewusst verschlampte
Untersuchungen des Balkens erlebt der Streit einen
publikumswirksamen Höhepunkt. Kaum erheblich, dass eine spätere
weitere C-14 Untersuchung des Holzes bestätigt, dass der Balken mit
hoher Wahrscheinlichkeit aus der Zeit vor 1362 stammt.
Im Gegenzug interpretieren die Landesarchäologen schon mal ein
von Duerr gefundenes Haus als Abfallgrube. Aber klärt dieser Streit
die wirkliche Lage von Rungholt? Wahrscheinlich erklärt er mehr
über die Eitelkeiten von Professoren. Halten wir uns also lieber
wieder an die anderen Rungholt-Forscher, die ihre Ergebnisse
vorsichtiger und mit weniger Gedöns interpretieren.
Henningsen - der augenblicklich sicherlich der Rungholt-Forscher
mit dem größten Überblick ist, wie nicht zuletzt die beiden
Bände über Rungholt beweisen, in denen der aktuelle Stadt der
Rungholt-Forschung sehr ausführlich und umsichtig dargestellt und
eingeordnet wird - sieht in den Funden Duerrs eine Randsiedlung
Rungholts, evtl. Fedderingman-Capell. Diese Ansicht wird mittelbar
sogar von Duerrs Forschung bestätigt, da er dokumentiert, dass das
gefundene Haus aufgrund des Alters der Ziegelsteine nach 1362
vermutlich repariert und weiter genutzt wurde. Dies macht eine
Lokalisierung als ein Teil Fedderingman-Capells wahrscheinlich.
Insgesamt gelingt es Henningsen in seinen beiden Bänden recht
schlüssig, den Ort Rungholt dort zu orten, wo heute die nach dem
Untergang Rungholts angewachsene Hallig Südfall liegt.
Quellen:
Hans-Herbert Henningsen,
Rungholt - der Weg in die Katastrophe, Band 1 Husum 1998, Band 2
Husum 2000
Hans Peter Duerr, Gänge und Untergänge, Frankfurt 1999
Uni Bremen, Rungholt-Projekt http://alf.zfn.uni-bremen.de/~vbreuer/Rungholt/frame.htm
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