Im
Zusammenhang mit der versunkenen Stadt taucht immer wieder der
Rungholtsand auf, eine Sandfläche, die sich zwischen den Inseln Nordstrand
und Pellworm befindet und wahrscheinlich schon Liliencron zu seinem
berühmten Gedicht 'Trutz, Blanke Hans' inspiriert hat.
'Heut bin ich über Rungholt gefahren' - so beginnt Liliencron im
Jahr 1882 sein Gedicht gleich mit einem großen Irrtum. Von 1882 bis
1883 lebte und arbeitete Detlev von Liliencron auf der Insel
Pellworm. Der Weg dorthin führte ihn von Husum aus nördlich an
Nordstrand vorbei zunächst zum Nordstrander Norderhafen und
schließlich hinüber nach Pellworm. Keine Spur von Rungholt in
diesem Gebiet - dafür aber der Rungholtsand.
Der Rungholtsand ist heute eine Sandwattfläche von etwa 20 qkm
Ausdehnung, die sich begrenzt durch Norderhever und Fuhle Schlot
Richtung Norden ausdehnt. Zu Liliencron Zeiten war die Fläche sogar
teilweise mit Gras bewachsen. Was nun hat dieser Sand mit Rungholt
zu tun, das einige Kilometer weiter südlich vermutet wird?
Nordöstlich von Rungholt ist in den Karten von Sax Und Mejer der
Wald eingezeichnet, der der Stadt Namen (etwa: schlechtes Holz,
Krüppelwald) gab. Henningsen geht davon aus, dass dieser Wald auf
einer höhergelegenen Fläche lag und es sich zumindest teilweise um
einen Kiefernwald handelte, wie er heute z.B. in den Dünen Amrums
zu finden ist. Pollenfunde belegen die Kiefer, die nicht auf
Marschflächen wächst. Also handelte es sich bei dem Rungholtwald wahrscheinlich
um einen auf einer höhergelegenen Sandfläche wachsenden Wald.
Von diesem Wald wird die erste grote Mandränke 1362 wenig übrig
gelassen haben - außer der Sandfläche, die nach dem Verlust der
Bäume nicht mehr von Wurzeln gehalten wurde. Die Sandfläche wurde
natürlich weiter mit der zerstörten Stadt in Verbindung gebracht
und nach ihr benannt. Allerdings war sie nun nicht mehr ortsfest,
sondern begann die Wanderung gen Nord-Ost, langsam und stetig, aber
kaum bemerkbar mit einer Geschwindigkeit von etwa 10 Metern im Jahr.
Und
so hat der Sand seinen Weg gemacht aus dem Rungholtgebiet bei der
heutigen Hallig Südfall bis hinaus nach Nordstrand. Auf diesem Weg
hat er auch dazu beigetragen, dass Liliencron heute eine andere
Route nehmen müsste, wollte er nach Pellworm fahren. Denn die
Nordroute um Nordstrand herum ist nicht nur durch den Autodamm aus
den 30er Jahren und den Beltringharder-Koog aus den 80er Jahren des
20. Jahrhunderts versperrt - Norderhafen ist auch nicht mehr der
Hafen Nordstrands. Vom Fahrwasser Holmer Fähre aus war der Hafen
noch zu Liliencrons Zeiten über einen schiffbaren Priel erreichbar.
Dieses Fahrwasser hat der Rungholtsand inzwischen versanden lassen,
die Holmer Fähre hat sich ebenfalls nach Osten verlagert. Neu
entstanden ist dafür süd-westlich der Fuhle Schlot, ein neues
Fahrwasser, das nun den neuen Nordstrander Hafen Strucklahnungshörn
erschließt.
Dies zeigt: der Rungholtsand hat nichts mit der Lage der Stadt zu
tun - dafür umso mehr mit Rungholts Vergangenheit. Gerade diese
stetige Veränderung macht die Uthlande so interessant und hält
Rungholt lebendig.
Quelle: Hans-Herbert Henningsen,
Rungholt - der Weg in die Katastrophe, Band 1 Husum 1998, Band 2
Husum 2000
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