Ist
Rungholt mehr als ein Mythos, wie sicher sind unsere Spuren, wo mischt
sich die Realität mit unserem Wunschdenken von den versunkenen
Städten, mit unserer vergeblichen Suche nach Atlantis? Was ist mit
den Karten, auf denen die Stadt in der Edomsharde eingezeichnet ist?
Das gesicherte Wissen um Rungholt ist nur sehr bruchstückhaft,
die Glaubwürdigkeit der Beschreibungen ebenso umstritten wie die
der Karten von Johannes Mejer, einem Husumer Kartographen des 17.
Jahrhunderts.
Das 17. Jahrhundert scheint für das Wissen um Rungholt ein
wichtiger Zeitpunkt zu sein. Chroniken, in denen der Ort erwähnt
wird, Karten, in denen er eingezeichnet ist, stammen aus diesem
Jahrhundert. Sie sind also ca. 300 Jahre nach dem Untergang der
Stadt entstanden. 300 Jahre, in denen Rungholt im Volksmund
weiterlebte, Teil des kollektiven Gedächtnisses wurde.
Aus diesem kollektiven Gedächtnis taucht die Stadt genau zu der
Zeit wieder auf, in der 1634 eine weitere verheerende Flut weite
Teile der Uthlande endgültig zerstört hat. Die erste grote
Mandränke 1362 und die zweite grote Mandränke 1634 markieren die
grundlegendsten Einschnitte in der Geschichte dieser Landschaft.
Beide Sturmfluten heben sich aus der Vielzahl der schlimmen Fluten
heraus, sie haben das Bild der Landschaft verändert, nur sie wurden
als grote Mandränken bezeichnet - schlimmste Fluten, bei denen
viele Menschen ertranken. Wahrscheinlich ist nach 1634 Rungholt
nicht nur aus dem kollektiven Gedächtnis und den Erzählungen der
Menschen wieder aufgetaucht und hat den Weg in Chroniken und Karten
gefunden, wahrscheinlich hat die zweite grote Mandränke auch reale
Spuren der Stadt freigespült.
Ist die Stadt also wirklich mehr als ein Mythos, mehr als die
Erinnerung verzweifelter, hoffnungsloser Menschen nach einer Flut,
die ihre Existenz vernichtete, ihre Familien zerstörte, an eine
Stadt, die reich und glücklich gewesen sein soll, bis sie aufgrund
von Arroganz und Frevel mit dem Untergang bestraft wurde? Wieweit
vermischt sich das kollektive Wissen um diese Stadt mit der
Realität der Zeit vor 1634 und den Umständen, die mit zu den
schlimmen Auswirkungen der zweiten groten Mandränke geführt haben?
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