Ein Ort des Grauens und der Erinnerung | Der Holocaust in Stolin

Gleich hinter Mankovichi weist ein Verkehrsschild an der Straße nach David-Horodok auf den Ort Stasina hin. Es geht rechts ab, ein normales Verkehrsschild, wie zu jeder anderen normalen Siedlung. Kein Hinweis darauf, dass Stasino ein Ort des Grauens ist, an dem am 11. September 1942 mehr als 7.000 Menschen ermordet wurden.

Die alte Pflasterstraße ist unbefahrbar, die Fahrzeuge fahren neben der Straße über die staubige Erde, durch tiefe Spurrinnen, um riesige Pfützen, die vom letzten Regen übriggeblieben sind. Ein paar vereinzelte Häuser, eine größere Kolchose - kein Hinweis auf die Gedenkstätte. Ohne ortskundigen Fahrer würde niemand den unbefestigten Waldweg gegenüber der Kolchose befahren.

Nach einigen hundert Metern Fahrt durch den dichten Kiefernwald erscheint eine Lichtung, eine rechteckige Grube mit abgeschrägter Böschung, die einige Schritte nach unten führt. Ein Denkmal, ein Gedenkstein. Das 300 Meter lange und 100 Meter breite Massengrab. Es ist still, ein paar Vögel sind zu hören, der Ginster blüht gelb - ein Ort des Grauens, der sprachlos macht, der alles schluckt.



Stolin Martyrs Mass Grave and Memorial, Stasino auf einer größeren Karte anzeigen


1939 begann die Rote Armee hier mit dem Bau eines Flugplatzes, die riesige Grube wurde von Gefangenen 10 Meter tief für den Bau eines unterirdischen Hangars ausgehoben. Zu dieser Baugrube führten die SS und die Hilfstruppen am 11. September 1942 die Bewohner des Ghettos von Stolin. In Kolonnen mit jeweils 500 - 1.000 Menschen. Was haben die anderen Menschen in Stolin gedacht und gefühlt?

Die Juden müssen sich ausziehen, Wäsche und Schuhe getrennt voneinander ablegen, in die Grube steigen. Dann werden sie mit Maschinenpistolen ermordet.

Stasino liegt abseits im Wald. Es ist unmöglich, sich das Grauen des Verbrechens, das hier stattgefunden hat auch nur ansatzweise vorzustellen. An einem einzigen Tag, dem 11. September 1942 wurden hier mehr als 8.000 Menschen ermordet - von anderen Menschen, die kalt mit der Maschinenpistole ihre Arbeit verrichteten. Nur zwei der Mörder sind 1973 in Frankfurt zu drei und fünfzehn Jahren Haft verurteilt worden, berichtete Katharina von Kellenbach in einem Bericht über ihren Besuch des Massengrabs und der Gedenkstätte (s.u.).


Stasino | Massengrab und Gedenkstätte

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Stasino 2016

Gedenkstätte Stasino

2016 haben wir Stasino erneut besucht. Noch immer gibt es keinen hinweis auf die Gedenkstätte, noch immer ist die Straße von Mankovichi hinauf nach Stasino nur schwer befahrbar. Es ist so unverständlich, warum dieser für Stolin so wichtige, so furchtbare, so traurige Ort versteckt wird.


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An der Gedenkstätte gibt es immerhin mittlerweile eine Tafel, die auf die schreckliche Geschichte dieses Ortes hinweist (ein Klick auf das Foto öffnet eine größere Version).

Tafel Gedenkstätte Stasino Hier ist die Übersetzung des Textes (englisch, danke Valentina):

Settlement Stasino

During the World War II between September 11 and 12, 1942 German invaders shot and buried alive 12,500 civilians at this place who had lived on the territory of Stolin and the region Stolin.

When the war started ghettos were founded in many villages. Those were the places where the Jewish population was brought to. On the territory of Stolin there was such a ghetto too. About 8,500 Jews were placed there. There were not only the civilians of Stolin there but also some from neighbour villages and refugees from Poland. They were not allowed to do several things. For breaking the "rules" there was only one punishment - death penalty. All the Jews including babies were obliged to wear tabs - yellow Jewish stars.

That place hadn´t been chosen by accident. Before the war started political prisoners had built a military aerodrome there. When the war broke out there had been only a deep foundation ditch there that became a huge communal grave for the civilians of the region. Hundreds of people were buried alive there.

According to the documents from archives there were about 8,000 Jews, 4,500 Russians, Belorussians and Ukrainers among them.

The complete destruction of Stolin ghetto occured at the Jewish New Year's Eve - Rosh a-Shana-Feast.

The destruction of the region civilians:

  • August, 9, 1941 - 53 Jews were shot in village Rubel (men older than 14 years); buried in settlement Borok;

  •  August, 10, 1941 - 685 Jewish men from David-Gorodok (14 years and older) were shot in settlement Chinovsk;

  • 653 people were shot between June 1941 -- July 1943 in village Gorodnaya

About 15,000 civilians were murdered by German invaders between 1941 - 1944.


Der reale Weg nach Stasino ist schwer zu finden - gegen das Vergessen steht aber das kollektive Gedächtnis des Internets. Zwei der wichtigsten Quellen sind Zeugenberichte.

  • Auf der Seite JewishGen, die sich der jüdischen Familiengeschichte widmet, gibt es eine umfangreiche Datenbank des Holocaust. Dort findet man den Bericht des Stoliner Zeitzeugen Grigoriy Ovsyanik, der von der Ermordung der Stoliner Juden in Stasino berichtet.

Der Holocaust in Stolin - die Ermordung der Juden in Stasino

  • Michael Nosanchuk berichtet von der Verfolgung der Juden in der Region Stolin. Er stammt aus dem Dorf Rubel. Die jüdische Bevölkerung des Dorfs wurde bei einem Pogrom am 17. August 1941 von einheimischen ermordet. Überlebende, Frauen und Kinder kamen in das Ghetto nach Stolin. Nosanchuk konnte sich verstecken, entkam auch aus dem Stoliner Ghetto und überlebte den Holocaust. In einem Brief an den Bruder in Kanada und einem ausführlichen Bericht erzählt er über seine schrecklichen Erlebnisse.

A Memoir of Michael Nosanchuk

Gruesome Ghetto Slaughters in Rubel, David-Horodok and Stolin
described in a letter to Windsor

  • Katharina von Kellenbach ist die Nichte eines SS-Offiziers, der für die Ermordung der Juden von Pinsk verantwortlich ist. In einem sehr persönlichen Bericht erzählt die Professorin für religiöse Studien am St. Mary's College of Maryland von ihrer 'Pilgerreise' nach Belarus und dem Besuch des Massengrabs bei Stasino.

A Pilgrimage to Belarus


Joshua S. Perlman und Adina Lipsitz haben eine großartige Website erstellt, die die Erinnerung an Stolin vor der Shoah lebendig macht. Es gibt viele Fotos und Augenzeugenberichte.

Eine Seite gegen das Vergessen, eine Seite, die zeigt, warum das Internet wichtig und wertvoll ist.



Lebendige Partnerschaft

 

Der Partnerschaftsverein Homberg-Stolin e.V. hält die Partnerschaft lebendig, unterstützt Stolin mit Hilfstransporten und ermöglicht in jedem Jahr Stoliner Kindern einen Erholungsaufenthalt in Homberg.

Das geht nur mit Ihrer Unterstützung. Bitte helfen Sie uns mit Ihrer Spende, damit wir diese Arbeit fortsetzen können. 

Partnerschaftsverein Homberg-Stolin e.V.
Joachim Jerosch
Wiesbadener Ring 12
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Tel.: 05681 5211 • jerosch@homberg-stolin.de

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Wir gestalten die Partnerschaft mit Stolin in Belarus