Warum
hat die Katastrophe von 1362 gerade Rungholt für immer zerstört -
andere Gebiete konnten später wieder besiedelt werden, blieben
zumindest bis zur zweiten groten Mandränke 1632 erhalten? Rungholt
- eine für die damalige Region relativ gut entwickelte Siedlung mit
überregionale Handelsbeziehungen - konnte nicht mehr landfest
gemacht werden.
Über die Gründe ist vielfach spekuliert worden, endgültige
Antworten konnten aber erst das 'Norderhever-Projekt' der Jahre 1975
- 1981 geben.
Für die Rungholter und ihre Nachfahren, insbesondere die
kirchlichen Chronisten, war schnell klar, dass es sich um eine
Gottesstrafe für die reichen, hochfahrenden und nicht
gottesfürchtigen Bewohner der Stadt handeln musste (siehe auch: Sagenhaftes
Rungholt). Andere Chronisten kamen schnell zu der Auffassung,
der Untergang sei durch den schlechten Erhaltungszustand der
Rungholter Deiche bedingt gewesen - eine Interpretation, die sich
bis in die jüngste Zeit erhalten hat. Insbesondere wird die
Bauweise der Stakdeiche für die Katastrophe verantwortlich gemacht,
die durch ein senkrecht der See entgegenstehendes hölzernes
Bollwerk den Wellen eine gute Angriffsfläche boten. Nach dieser
Auffassung seinen modern profilierte Deiche (zur Seeseite flach
auslaufend) erst später von den Holländern in den Uthlanden
eingeführt worden. Dieser Auffassung wiederspricht Henningsen im
zweiten Band seiner Rungholt-Forschungen.
Immer wieder haben schlimme Sturmfluten die Küste heimgesucht,
die Bewohner begegneten ihnen wohl mit einem gewissen Fatalismus,
versuchten ihre Deiche zu erhöhen und die Häuser auf immer
höheren Warften aufzubauen. Ab dem Jahr 1300 scheinen die
Lebensbedingungen in den Uthlanden aber zunehmend unwirtlicher
geworden zu sein, das Klima soll sich extrem verschlechtert haben,
von Missernten und Viehseuchen wird berichtet. Hinzu kommt die Pest,
die um 1350 die Uthlande erreichte. Drei Viertel der Bevölkerung
soll sie hinweggerafft haben. Verständlich, dass die Kräfte für
den Küstenschutz nicht mehr ausreichend vorhanden waren.
Auch wenn die Deiche zur Rungholtzeit sehr wohl flach profiliert
waren (wie Henningsen nachweist) - hoch genug für die Fluten der
Marcellusflut am 16.1.1362 waren sie auf keinen Fall. Sicherlich hat
auch der Torfabbau zur Salzgewinnung einen gewissen Einfluss gehabt
- entscheidend war aber auch er nicht.
Rungholt hatte keine Chance, die Stadt wurde, wie im
Norderhever-Projekt über die geologischen Strukturen unter dem
Wattboden nachgewiesen wurde, über einer mit Sedimenten gefüllten
nacheiszeitlichen Senke errichtet (siehe auch: Nordfriesland
- eisgeformt, meergeprägt). Im Laufe der Jahrtausende senkte
sich das Land hier besonders stark, in Verbindung mit den steigenden
Meeresspiegeln hatte das Rungholtgebiet keine Chance mehr.
Weiter zerstört wurde das Gebiet über dem Moränental, als die
zweite grote Mandränke der Norderhever zum Durchbruch durch die
Insel Alt-Nordstrand verhalf und damit weitgehend das Bild der
heutigen Wattlandschaft formte. Landfeste Flächen blieben nur am
Rand des Moränentals, wo der feste Boden unter einer dünneren
Ablagerungschicht zu finden ist als im Moränental selbst. Dort
liegen die Inseln Pellworm und Nordstrand, verlorene Landflächen
konnten teilweise wiedergewonnen werden. Über den Resten der alten
Landschaft konnte neues Land auflanden - allerdings nur dort, wo der
feste Boden nicht zu tief lag und die Sedimente an den Hängen der
Moränentäler durch tonige Beimischungen mehr Halt für neues Land
boten. So konnte über den Resten Rungholts Südfall neu auflanden.
Die Edomsharde hatte also kaum eine Chance, das Wasser der
großen Seegatten (Wattströme wie die Norderhever) suchte sich bei
steigenden Meeresspiegeln wieder den Weg, den schon die Wassermassen
nach der Eiszeit nahmen und spülte die relaliv lockeren Sedimente
zwischen den Moränenhängen bis auf teilweise beachtliche Tiefen
weg.
Quellen:
Dietrich Hoffmann, Nordfriesland: Landschaft von Eis und Meer
geschaffen, in: Das große
Nordfriesland-Buch, Hamburg, 2000
Hans-Herbert Henningsen,
Rungholt - der Weg in die Katastrophe, Band 1 Husum 1998, Band 2
Husum 2000
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