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Der tiefe Brunnen auf der Hohenburg Eine Stadt entsteht - Homberg in Hessen Das Ende einer blühenden Stadt |
Der Dörnberg-Aufstand - ein Homberger FiaskoDer Homberger Marktplatz voll Aufständischer, die wild um sich schauen und ihre martialische Bewaffnung aus Dreschflegeln und Sensen zur Schau stellen, ein Bauernheer aus der gesamten Region, fertig zum Abmarsch. Branntwein wird verteilt - und die Gesichter werden noch wilder, die Äxte bedrohlich geschwungen. Ein Haufen Aufständischer, Bürger und Bauern, bereit zum Abmarsch, entschlossen zum Kampf.
Im August 1806 wurde Hessen von französischen Truppen Napoléons besetzt. Trotz eines Neutralitätspakts mit Napoléon wurde das Kurfürstentum Opfer der politischen Machtverhältnisse. Die strategische Lage in der Mitte Deutschlands und das hierdurch bedingte Interesse Preußens machten die Neutralität zu einem aussichtslosen Unterfangen. Der Landgraf setzte sich zu seinem Bruder nach Schleswig ab, am 3. November 1806 wurde auch Homberg von französischen Truppen besetzt.
Napoléon schickt sich an Europa zu erobern und auf dem Homberger Marktplatz stehen sie mit Dreschflegeln, Sensen und Äxten. Was hat diese Männer angetrieben, für welche Ideale wollten sie in den Kampf ziehen? Die Bauern als Kämpfer für die Rückkehr des feudalistischen Fürsten - war das ein Ziel, das den Kampf lohnte? Sie wollten es wagen, wollten losziehen, ein schäbiger Haufen auf dem Weg nach Kassel, den französischen König von Westfalen zu vertreiben. Was wussten sie von der politischen Lage in Europa, vom Kampf der Weltmächte Großbritannien und Frankreich, welche Vorstellung hatten sie von der Zukunft ohne die scheinbar so schweren französischen Fesseln? War da schon etwas von den Gedanken und Träumen, die mehr als 40 Jahre später zur Revolution in Deutschland führten, nach vielen blutigen Rückschlägen zur Gründung des Nationalstaats? Oder war es einfach nur die Wut über die drückenden Abgaben an die französischen Truppen, die Dienste, die die Franzosen ohne Rücksicht auf den Stand von Bauern und Bürgern gleichermaßen forderten? Immerhin gab es auch in anderen Teilen der französischen Einflussgebietes erbitterten Widerstand, wie z.B. in Tirol von Andreas Hofer, der mit seinen Bauernheeren mehrmals geben die bayrischen und französischen Truppen aufbegehrte, bis er schließlich 1810 hingerichtet wurde. Seine Berühmtheit erlangten die Homberger Aufständischen nicht, der Aufstand hatte durchaus seine liebenswürdig pittoresken Züge und wahrscheinlich haftete ihm von Seiten der Homberger Teilnehmer auch nicht die für den Erfolg notwendige Entschiedenheit an - vielleicht typisch für unsere Stadt?
Das Ambiente des Aufstands war eher geeignet für eine tragische Liebesgeschichte als für einen Aufstand. Oder war es die tragische Liebe zur Heimat, die zum Aufstand führte? Die politischen Motive ließen doch eher Raum für Zweifel. Immerhin war es der verhasste Jérôme - auf der in Napoléonshöhe umbenannten Wilhelmshöhe in Kassel residierte er verschwenderisch und handelte sich schnell den Spitznamen König Lustig ein - der die Leibeigenschaft abschaffte und mit dem Code Napoléon ein für die Zeit fortschrittliches Gesetzeswerk einführte. Das waren sicherlich nicht mehr die Ideale der französischen Revolution, aber ob es für die Bürger und Bauern schlechter war als die Herrschaft des 'Landgrafen, muss sicherlich gefragt werden.
Auch wenn die Nordhessen sonst ihrer Zeit nicht unbedingt voraus sind - den Aufstand begannen besonders eifrige Aufständische um den Friedensrichter Martin in der Schwalm 24 Stunden zu früh. Und so erwartet die wilde Menge auf dem Homberger Marktplatz den Oberst von Dörnberg schon sehnsüchtig mit den Dreschflegeln klappernd. Karoline von Baumbach überreicht die rot-weiße Fahne - 'Sieg oder Tod im Kampf für das Vaterland' - golden leuchtet die Inschrift in der Frühlingssonne, denn natürlich muss an einem solchen Tag die Frühlingssonne golden leuchten.
Jérôme fand den kleinen Aufstand der Nordhessen nicht lustig. Bis auf den Boden zermalmen wollte er die Niederträchtigen. Es wäre schade um die Stadt gewesen, die nach dem dreißigjährigen Krieg und seinen Zerstörungen wieder beachtlich herangewachsen war. Also machten sich die Bürger Hombergs wieder auf den Weg nach Kassel. Diesmal nicht als wilder Trupp entschlossener Kämpfer, nicht mit rot-weißer Fahne und wohl auch nicht mit alkohol-roter Nase. Es waren auch nicht Bauern und Handwerker - Apotheker, Kaufmann, Gutsbesitzer, die bessere Gesellschaft machte sich auf den Weg - nicht zu Fuß, sondern in der Kutsche des Bürgermeisters. Und sie kamen auch nicht, um die Freiheit des Vaterlands einzufordern, sie kamen vom 3. bis 5. Juni 1809 nach viel Fürsprache und ebensoviel Bittgeldern. Am 4. Juni wurden sie von Jérôme empfangen und durften ihre Bittschrift überreichen. Die Kosten für den Empfang auf dem Schloss wurden ihnen in Rechnung gestellt.
Die Stadt Homberg muss starke französische Einquartierungen hinnehmen, was nicht nur mit militärischer Schmach sondern vor allem mit hohen Verpflegungskosten verbunden ist. Und ein Jahr nach dem Aufstand macht sich auch Jérôme selbst auf den Weg nach Homberg - die aufmüpfigen Bürger mussten ihm ihre Gunst beweisen und für den Empfang eine Ehrenpforte errichten. Jérôme Bonaparte blieb bis 1813 König von Westfalen, nach Napoléons gescheitertem Russlandfeldzug blieb ihm nur der Rückzug nach Frankreich. Der Kurfürst kehrte nach Kassel zurück. Lange währte die Freude der Bürger über die Rückkehr nicht, denn der langsam erwachende Wunsch nach bürgerlichen Freiheiten stieß bei ihm auf taube Ohren. Das alte Regime wurde wieder installiert und einigen Bürgern wird wohl gedämmert haben, dass ein paar Rechte des Code Napoléon freiheitlicher waren als Wilhelms absolutistische Fürstenherrschaft.
Wer heute am Burgberg entlang geht und durch die schmale Pforte beim Dörnberg-Tempelchen in die Stadt zurückkehrt, kann vielleicht kurz an die Verschwörer denken, die hier oben ihren Aufstand geplant haben - und an Karoline von Baumbach, die hier die berühmte weiß-rote Fahne der Aufständischen gestickt haben soll - 'Sieg oder Tod im Kampf für das Vaterland' - und dabei hoffentlich nicht nur an das Vaterland gedacht hat.
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